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Was Pflegende frustriert Böckler Impuls

Pflege: Was Pflegende frustriert

Ausgabe 09/2025

Geld ist wichtig, aber nicht alles. Pflegekräfte sind häufig auch mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden. Das zeigen viele Studien aus den vergangenen Jahren.

1,7 Millionen Pflegekräfte kümmern sich in Deutschland um Kranke und die knapp fünf Millionen Pflegebedürftigen. Damit sind sie die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen. Aber sie sind längst nicht genug. Landauf, landab suchen Krankenhäuser, Altenheime und ambulante Pflegedienste händeringend nach Personal. Offenbar gelten eine Ausbildung und Beschäftigung in der Pflege nicht als besonders attraktiv. So entsteht ein Teufelskreis: Je mehr der Fachkräftemangel Pflegeeinrichtungen zusetzt, desto höher wird die Belastung für die dort Beschäftigten. Was wiederum abschreckend auf potenzielle Arbeitskräfte wirkt.

Silke Trumpa, Professorin am Fachbereich Gesundheitswissenschaften der Hochschule Fulda, und ihr Mitarbeiter Maximilian Schöner haben untersucht, wie es um die Arbeitszufriedenheit von Pflegekräften bestellt ist. Dazu haben sie zahlreiche Studien aus der jüngeren Vergangenheit ausgewertet, die zeigen, was diesen Beschäftigten – jenseits von Vergütungsfragen – auf den Nägeln brennt. Aus der Fülle von Studien haben die Forschenden elf Arbeiten aus den Jahren 2018 bis 2023 ausgewählt, die ihnen besonders aussagekräftig erschienen. Darunter sind auch von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchungen, die beispielsweise beleuchten, unter welchen Voraussetzungen – neben einer angemessenen Bezahlung – aus dem Beruf ausgestiegene Pflegekräfte zurückkehren würden. 

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Infografik: Statt der heutigen 1,7 Millionen werden nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts Mittes des Jahrtausends 2,15 Millionen Pflegekräfte gebraucht.
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Dass die angespannte Situation in der Pflege nicht neu ist, sondern Beschäftigte schon länger mit ihrer Arbeit hadern, belegen bereits vor Beginn der Coronapandemie erhobene Zahlen: 2019 gaben 40 Prozent von über 2000 Befragten an, mehrmals im Monat darüber nachzudenken, den Arbeitgeber zu wechseln. 35 Prozent spielten regelmäßig mit dem Gedanken, einen gänzlich anderen Beruf zu ergreifen. Eine Umfrage unter Beschäftigten bayrischer Pflegedienste von 2021 förderte noch eine deutlich höhere Quote zutage: Hier hegten 59 Prozent häufig diesen Gedanken.

Die ausgewerteten Studien unterscheiden sich konzeptionell und in der Schwerpunktsetzung. Außerdem gibt es in der Wissenschaft keine einheitliche Definition von Arbeitszufriedenheit, geschweige denn verbindliche Messmethoden, die zu vergleichbaren Kennzahlen führen. Dennoch lässt die Summe der Studien klare Rückschlüsse darauf zu, was Pflegekräfte unzufrieden macht und was sich verbessern ließe.

Grundsätzlich ist der Pflegeberuf seiner Natur nach heraus­fordernd, physisch etwa durch Stehen und Heben, psychisch wegen der hohen emotionalen Beanspruchung. Vieles, was Pflegekräfte frustriert, liegt jedoch auf der organisatorischen Ebene und ist damit durch Veränderungen der Arbeitsabläufe beeinflussbar. Weit oben auf der Prioritätenliste stehen für viele Beschäftigte in der Pflege ein verlässlicher Schichtplan und die Möglichkeit, bei der Einsatzplanung mitreden zu können, um etwa Beruf und familiäre Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen. Ein weiteres Dauerthema sind Zeit und Personalbemessung: Was besonders schlaucht, sind unterbesetzte Schichten, in denen weder für die Patientinnen und Patienten noch für Pausen genug Zeit bleibt. Bürokratie und Dokumentationspflichten haben häufig zermürbende Wirkung. Eine große Rolle spielen die Wertschätzung durch Vorgesetzte – in Krankenhäusern auch durch Ärztinnen und Ärzte –, die Kollegialität im Team und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Angebote zur Stressbewältigung oder Supervisionen könnten helfen, das Hamsterrad, in dem sich viele Pflegekräfte wähnen, einmal anzuhalten.

Trumpa und Schöner ziehen den Schluss, dass wir „kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit“ haben. Die Ursachen für die Unzufriedenheit von Pflegekräften seien lange bekannt und durch Studien belegt. Allerdings räumen die Forschenden ein, dass es angesichts der komplexen Zusammenhänge im Gesundheitssystem für vieles keine einfachen Lösungen gibt. Um etwa den Dokumentationsaufwand nachhaltig zu senken, müssten gesetzliche Vorgaben vereinfacht, einheitliche und digitale Dokumentationssysteme flächendeckend eingeführt sowie standardisierte, auf das Wesentliche reduzierte Dokumentationsmodelle etabliert werden. In den Betrieben gelte es, ein unterstützendes und anerkennendes Arbeitsklima zu schaffen. Neben einer ausreichenden Personaldecke sei individuelle Förderung durch Führungskräfte entscheidend. Außerdem wichtig: „Vertrauen, offene Kommunikation auf Augenhöhe und die Übertragung von Verantwortung, damit Pflegekräfte sich entfalten und engagiert bleiben können“.

Silke Trumpa, Maximilian Schöner: Nicht-monetäre Einflüsse auf die Arbeitszufriedenheit in der Pflege, in: Judith Brockmann, Felix Welti (Hrsg.): Sozialrecht und Tarifbindung, HSI-Schriftenreihe Band 55, Mai 2025

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